November 2019

[Italien] Offener Brief aus dem Knast in Neapel von Andreas Krebs zu den Anti-Knast-Tagen 2019

 

Wien/Berlin/Neapel: Wir dokumentieren hier den offenen Brief von Andreas Krebs, der anlässlich der Anti-Knast-Tage in Berlin Ende Oktober verlesen hätte werden sollen, was leider aus unterschiedlichen Gründen nicht geklappt hat.

Andreas geht es nach wie vor sehr schlecht, und die Nachricht, dass sein Brief nicht vorgelesen wurde, hat ihn schwer getroffen. Wir wollen mit dieser Veröffentlichung zum Einen diesen Fehler wieder gut machen und zum Anderen ein Update zu seiner Situation in seinen eigenen Worte bringen. Wir haben nur wenig ergänzt, gestrichen oder ganz selten unverständliche Textpassagen ausgebessert. Nun sollte alles gut verständlich sein.

Bitte teilt diesen Brief, verbreitet ihn weiter, schreibt Andreas. Er freut sich über jede noch so kleine Postkarte. Außerdem sammeln wir sehr intensiv Geld für ein weiteres Gutachten für die zweite Instanz. Wir brauchen ungefähr 5.000€, um den Gutachter aus dem Fachbereit Pathologie bezahlen zu können. Bitte spendet für Andreas. Er muss dringend raus aus dem Knast.

ABC Wien, Anfang November 2019

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Mein Lieblingsspruch aus König Richard der III von William Shakespeare: „Das wildeste Tier kennt doch des Mitleids Regung. Ich kenne keins und bin daher kein Tier…“

Meine Lieben!

Wie gut, dass ich dieses Buch (Anmerkung ABC Wien: folgende Zeilen füllen tatsächlich ein ganzes kleines Buch im A5-Format.) aufgehoben habe, weil ich es für Zeichnungen viel zu schade fand. Ich werde dieses Buch also für Aufzeichnungen nehmen, gewisse Dinge schildern sowie auch meine Eindrücke und Erfahrungen. Dies soll für die Anti-Knast-Tage sein, um Menschen darüber zu informieren, wie das Leben in einem fremden Staat hinter Gittern ist, in dem ich verschiedene Themen auffasse, auch wenn ich mich in einigen Dingen bereits in vorherigen Briefen wiederholte. Sicher schildere ich alles etwas durcheinander… (…) Zuerst möchte ich mich bei allen für die ganze Unterstützung bedanken, bei ALLEN und ich hoffe von Herzen, dass es auch allen draußen im Überwachungsstaat gut geht.

Ich grüße ALLE, auch die in Haft sind, und auch die, die mich persönliche nicht kennen! Mir ist zudem wichtig, dass ALLE wissen, dass ich mit meinen Gedanken und Herzen bei euch bin, sowohl bei meiner Frau, als auch bei allen anderen.

Ich werde schreiben, wie es mit in den Kopf schießt, das Leben und auch der Tod, Hoffnung, Träume, Verzweiflung und so weiter. Werde auch versuchen, jeden Tag einige Seiten zu schreiben, obwohl es mir zurzeit sehr sehr schwer fällt, die Gedanken zu sammeln und dazu fehlt mir die komplette Motivation. Dennoch sehe ich es als meine Pflicht an Menschen mit diesen Zeilen zu erreichen. Nicht nur für mich sondern für die ganzen zahlreichen Inhaftierten auf der ganzen Welt!

Da man mir seit Monaten versprochen hat, ich darf täglich an einen PC zum Schreiben, warte ich nicht länger, lasse mich nicht verarschen und ruhig stellen, sondern mache alles mit der Hand. Soll die Obrigkeit mich doch mal gerne haben und ich werde nicht noch einmal danach fragen! Das verbietet mein Stolz und meine Ehre!

Euer Andreas

Sorry, mit geht es zurzeit nur noch beschissen! (…)

Ich befinde mich nun für mich gefühlt eine halbe Ewigkeit im Knast von Secondigliano (Anmerkung ABC Wien: Neapel/Italien), davon ein Jahr auf einer Observationsstation, wo ich fast 24 Stunden unter Bewachung/Beobachtung unter Verschluss war. Erst seit etwa zwei Monaten (ich habe jegliches Zeitgefühlt verloren) wurde ich auf eine Station verlegt, die von 8-20 Uhr täglich offen ist. Eine Vorzeigestation, wo nur Studenten sind, und Bewerbungen von Gefangenen aus ganz Italien kommen. Keine Ahnung, was ich auf dieser Station soll, wenn man mich doch an Schule oder ähnlichem nichts machen lässt. Trotz meines gesundheitlichen Zustandes arbeite ich von 7 Uhr früh bis mindestens 13 Uhr mittlerweile. Jeder sieht, dass etwas nicht passt, aber man glaubt mir damit einen Gefallen zu tun, damit ich nicht soviel Nachdenke. Da täuschen sie sich.

Die meisten Beamten sind mittlerweile sehr höflich zu mir. Respektvoll, doch das musste ich mir erst erkämpfen, indem ich einmal richtig ausflippte, und niemand mich so bisher erlebt hat. Doch dieses Gefängnis an sich ist eine reine Katastrophe! Es funktioniert hier nichts! Anträge, Schreiben werden einfach unbeantwortet gelassen und immer wieder höre ich den Spruch: Wir sind in Italien. Worauf ich sage: Nein, in der EU. Die ärztliche Versorgung ist einfach unter aller Sau und sowas von unhygienisch, das habe ich noch nie erlebt!

Was ich hier ganz gezielt ansprechen möchte ist der Rassismus. Es ist eine Schweinerei, was mit vielen ausländischen Gefangenen gemacht wird, ganz besonders auch die afrikanischen Gefangenen! Hier ein paar Beispiele und alles habe ich selbst erlebt und das jeden verdammten scheiß Tag. Die Gefangenen, die sich für die Arbeit versammeln vor der Zentrale im Erdgeschoß, kommen oft die Äußerungen von Gefangenen vor den Beamten „Hey Negro, aus dir mache ich statt schwarz weiß!“. Oder Äußerungen von Beamten (ob Spaß oder nicht) „Wir sind hier in Auschwitz, ich will nichts hören oder sehen“.

Viele ausländische Gefangene lassen sich das gefallen, lächeln und sind dennoch weiter höflich. Die meisten Beamten sind relativ respektvoll, aber es gibt solche und solche. Ein ausländischer Gefangener möchte ein Telegramm in seine Heimat schicken, die Idiotie an der ganzen Sache, nur auf Italienisch. Wie soll das also gehen? Einer will nach Ghana oder ich nach Deutschland schreiben, aber nur auf Italienisch? Das liegt nicht einmal an der Anstalt, sondern direkt an der Dreckspost, die in jeder Hinsicht zu faul sind. Oder Lebensmittel. Kein Ausländer kann sich aus seiner Heimat Lebensmittel bringen oder auch schicken lassen (meine Frau Jutta kann ein Lied davon singen). Es heißt dann: Nur italienische Lebensmittel, nicht anderes! Ich wollte mit eine englische CD über den Kaufmann bestellen und als Antwort bekomme ich zu hören, nur italienische Musik CDs – spezielle CDs muss man sich von den Angehörigen neu schicken lassen.

Naziäußerungen gehören hier zum alltäglichen Leben! Und der Rassismus ist hier im Süden schon sehr extrem. Menschen schlitzen sich auf, versuchen sich zu erhängen und die Beamten sehen nur zu. Sie wollen sich auf keinen Fall mit irgendetwas anstecken. Da habe ich nun schon von so vielen Beamten gehört, die ich deswegen zu Rede stellte. Bis auf die ausländischen Gefangenen halten sich alle nun etwas von mir zurück, weil sie Angst haben, mit dem was ich schreibe und keiner will hier in eine linke Schublade.

Anfangs versorgten sie mich noch mit Zeitungsartikeln über Revolten hier im Süden in anderen Anstalten, aber das haben sie dann doch schnell wieder gelassen. Im Prinzip stehen alle Gefangenen unter Druck, denn sie bekommen vom Staat alle 6 Monate 45 Tage von der Haft entlassen – bei guter Führung. Die ausländischen Gefangenen begrüßen mein Tun und jeder einzelne von ihnen, wenn er mich sieht, drückt mich herzlich, selbst wenn ich gerade beim Arbeiten bin und wie bei diesem Wetter total verschwitzt.

Zurzeit, also die letzte Woche, war es relativ ruhig und es gab nur wenig Vorfälle, wo sich Menschen aufschlitzen. Das Schlimme ist, dass ich jeden einzelnen kenne, der das macht und mitten in der Nacht werde ich geholt, um die Zentrale, Wände und das Büro des Sanis zu putzen. Dann stehe ich oft in riesigen Blutpfützen. Ich sage kein Wort dabei, ziehe Handschuhe über und bin dann teilweise zwei bis drei Stunden beschäftigt, das Blut weg zu machen. Aber es belastet mich so sehr, dass auch das ein Grund ist, warum ich nachts aufwache, am Bettrand sitze und darüber nachdenke, was sich da für ein Drama abspielt.

Ein Gefangener, ein Russe, drehte durch, weil er keinen Besuch hatte, so griff er sich den Pulver-Feuerlöscher und besprühte die Beamten, griff dann in seinen Munde und holte einer Rasierklinge raus und schlitzte sich den Bauch auf. Als sie, die Beamten, nach zwei Stunden zugegriffen haben, brachten sie ihn in die Isolation und da bekam er zusätzlich noch schlimme Schläge. Ich sah ihn eine Woche später hier im Haus und er erzählte mir alles. Kurze Zeit später wurde er ans andere Ende von Italien verlegt.

Italienische Gefangene laufen hier sogar teilweise mit zig Schlüsseln von Beamten rum, um raus auf dem Anstaltsgarten zu arbeiten oder für sonstige Türen. Ein Beamter wollte mir vor Tagen so einen Schlüsselbund geben und ich weigerte mich und sagte, dass er der Beamte ist und nicht ich. Gepasst hat es ihm nicht, denn er musste ja jetzt zusätzlich arbeiten und mir Putzkammern und so weiter öffnen. Im Gemüsegarten wird fast alles, was wächst und nachwächst, von Beamten mit nach Hause genommen, und nur die zwei, die dort arbeiten, bekommen etwas ab.

Keiner von denen will zu viel machen! Egal, was für Anträge ich schreibe, nicht kommt von denen beantwortet zurück! Ich will nicht sagen, dass alle Beamten so sind, aber 75 % schauen wirklich nur TV und sitzen den ganzen Tag rum. In letzter Zeit wurden auch einige Gefangene verlegt, die etwas hier zu melden haben, und so sind Übergriffe mit Stichwaffen auf anderen Stationen weniger geworden.

Dennoch ist es ein Schweinesystem, wo nichts funktioniert, der Gefangene nur belächelt und belogen wird. Seit Wochen verspricht man mit, dass ich am Tag 2 Stunden bezahlt bekomme, das war im Juli. Die Kosten für Medikamente, Brille, Kopien und Versand haben mir mein ganzes Geld aufgefressen. Und dem Wunsch einer genauen Auflistung ist man immer noch nicht nachgekommen. Seit zwei Wochen haben ich nichts mehr zum Trinken (von der Anstalt gibt’s ja nichts, außer einmal im Monat 2 Rollen Klopapier) und nichts mehr zum Essen. Zu den Leuten gehe ich nicht mehr, die sind mir zu arrogant und glauben, dass es einen Dreck bringt, was ich alles über hier schreibe und dass sich eh nichts ändert. Ich solle mich damit abfinden. Kein Wunder, dass sich nichts ändert, wenn niemand etwas tut! Was für Wichser! Das Leitungswasser ist hier reines Gift und gerade für meine Nieren extrem kalkhaltig und niemand rührt das Leitungswasser an!

Ich möchte auf ein paar Seiten noch etwas zu den Anti-Knast-Tagen sagen und die Notwendigkeit. Bis vor dem Jahr 2012 wusste ich nicht einmal, dass es sowas wie die Anti-Knast-Tage gibt, und darum hatte ich damals auch viel über so manches erzählt!

Ein beeindruckendes Moment ist dieses Jahr im Januar bei mir geblieben, und da schrieb mir jemand, dass die Person sich das sehr zu Herzen genommen hat mit dem, was ich erzählte, und die Verantwortung, die man hat, wenn man einem Gefangenen schreibt. Er ist letztendlich wie ein kleines Kind, das man auch nicht so einfach fallen lassen kann! Leider wollte ich dieser Person schon dreimal schreiben, doch jedes Mal kam die Post unzustellbar zurück. Das fand ich schade, denn dieser Person war die Verantwortung sehr wohl klar. Liebe Grüße, falls die Person gerade anwesend ist. (Anmerkung ABC Wien: Wir haben die konkrete Adresse der Berlinerin, falls sich wer angesprochen fühlt…) 

Die AKT sollten auch auf andere Länder übergreifen, denn jede Person (Anmerkung ABC Wien: gemeint sind wohl Gefangene), mit der ich in Deutschland oder hier sprach, kennt das niemand. Bitte macht damit weiter und egal was kommt, hört damit niemals auf!!

Was wäre zu tun? Einzelne Gefangene könnten so viel Reklame hinter den Mauern machen, auch hier! Wie oft habe ich in meiner Zeit in Haft Soli-Hungerstreiks gemacht, ob für die griechischen Gefangenen oder andere! Und alle von der Obrigkeit haben gekuscht. Das lag aber auch zum größten Teil an der Öffentlichkeitsarbeit von euch! Ich hatte einen gewissen Schutz um mich rum. Das, was ich verlangte für uns alle, war noch nicht mal übertrieben. Einfache normale Dinge. Vielleicht sollte man genug Flyer vor den Anstalten an Angehörige verteilen, um so noch eine viel breitere Masse zu erreichen? Es ist schade, dass ich diesmal nicht dabei sein kann, aber es würde den ganzen Rahmen sicher auch sprengen, was ich zu erzählen hätte, und jetzt nun auch noch aus einem sogenannten EU-Staat.

Soeben schlitzte sich wieder jemand auf, diesmal am Hals und traf dabei seine Schlagader. Ich habe keine Ahnung, ob er es überlebt hat. Ich weiß nur, dass Gefangene dafür verantwortliche sind, ihn auf die Krankenstation zu bringen. Ich kann wegen solchen Geschehnissen kaum mehr schlafen. Sehe das Blut vor mir und dazu mein eigenes Erlebtes. Seit Jahren eigentlich verfolgen mich diese Dinge, wo ich ein starkes Trauma habe! Sachen, die in Nürnberg u.a. in Haft passiert sind und auch vor der Haft, wo ein Freund von mir Anfang der 90er Jahre von einem Heckenschützen vor meinen Augen eine Kugel in den Kopf bekam. Ich sah Dinge, die sich kaum jemand nur ansatzweise vorstellen kann. Als ich damals kurz in Jugoslawien war im sogenannten Bosnienkrieg, sah ich wie zwei Kinder einfach von einem Panzer überrollt wurden. Ich werde diesen Anblick nie vergessen! Anschließend floh ich und UCK-Kämpfer halfen mir zu fliehen. Das heißt dann auch 10 Jahre Einreiseverbot nach Frankreich.

In Haft die ständigen Schläge, Wasser aus der Toilette trinken (Nürnberg), oder wie in Santa Maria, wo sie mich alle zwei Tage schlugen, mit Fäusten auf den Hinterkopf, Tritte in die Seiten und Rücken – regelrechte Folter!

So vieles was im Kopf ist, was ich innerhalb der Mauern sah, Freunde gingen ganz plötzlich über Nacht und am Morgen stand der Leichenwagen da. Menschen, mit denen ich täglich zusammen gewesen bin! Ich gedenke oft den Toten und von der wahren Zahl haben wir alle keine Ahnung. Wie viele wurden durch Wärters Hand getötet, wo ich hörte: “Ja hau drauf, da gleich nochmal und hier hast du noch eine.” Am nächsten Tag war er in Landshut tot. Denen (Anmerkung: Den Wärtern) ist nichts passiert!

Oder die Drecks Nazi-Knäste, in denen ich zuletzt war… Hier kann ich kaum etwas ausrichten, wie und mit wem? Ich ziehe mich zurück, rede mit wenigen, aber dennoch haben sie Respekt von beiden Seiten, da ich, wie gesagt, einmal richtig ausflippte und 12 Beamte sich nicht an mein Gitter trauten. Vorher schlug ich einen durchs Gitter eine in die Fresse, weil er frech wurde und meine Kicks hörte man im ganzen Haus. Als ich immer wieder gegen das Gitter schlug und den Beamten anschrie, komm mach dieses Gitter auf. Das sprach sich rum und man hat verstanden, Respekt gegen Respekt, dass ich alleine in einer Zelle sein möchte und ganz besonders kein großes Gequatsche. Wie oft sagte ich, ich mache ernst, denn mittlerweile und mit dem was man mit mir gemacht hat, ist mir so langsam aber sicher alles scheißegal!!!

Ich will nicht mehr reden, denn es bringt nichts mehr und mit der Wand zu reden ist sicher besser. Vor einigen Tagen kippte jemand vor mir um, und ich sah sofort, dass er Epilepsie hat und die Atmung nicht passt. Ich hielt nur seinen Kopf, streichelte sein Gesicht und redete beruhigend mit ihm. Gefangene wollten seine verkrampften Finger öffnen und ich stieß sie weg und sagte, dass sie das lassen sollen. Die Beamten standen rum und die Sanitäterin schaute nur blöd. Total hilflos! Ich schrie sie an, dass sie die notwendige Spritze holen soll, was sie machte. Und man lies mich machen, zweimal passierte das. Daran sieht man, wie hilflos man ist! Es brauchte längere Zeit, bis es ihm besser ging und ich blieb die ganze Zeit bei ihm. Schlimm, wenn Menschen sich einmischen wollen, aber keine Ahnung haben, was man in so einem Fall zu tun hat und unterlassen muss.

Einmal band ich jemanden mit Druckverband die Pulsader ab. Das zum Thema ich und ein Mörder…

Doch die letzten Tage bin ich selbst sehr weit unten, stelle alles nur noch in Frage und am 1. April 2019 (Anmerkung: das erstinstanzliche Urteil im aktuellen Gerichtsverfahren), als ich 24 Jahre bekam, dachte ich, es sei ein Aprilscherz, und bat die anwesenden Beamten mir eine Kugel in den Kopf zu schießen. Sie beruhigten mich, und ich solle die nächste Instanz abwarten. Ja, wie lange denn? Und dann? Das ist doch kein Leben, sondern so oder so mein Todesurteil, eben nur auf Raten. Hier gibt es einen Artikel vom italienischen Gesetz, der heißt: “Fine Pena mai Articolo 999” – bis zum Tod im Knast. Auch ganz junge Leute. Knofo sagte einmal „Es gibt keinen besseren Staat, sondern nur noch viel schlimmere!“

In einen von diesen befinde ich mich. In jeder Anstalt, in der ich in Deutschland war, versorgte ich mich im Falle einer Auslieferung mit einer Überdosis Tabletten, weil ich genau wusste, das wird ein Fall a la Amanda Knox und sie werden mit mir machen, was sie wollen. Leider wurde ich mitten in der Nacht vom SEK überrascht. So kam ich nie dazu an mein Versteck zu kommen, wo diese Arschlöcher zu blöd waren es zu finden. In Moabit würde ich ca. alle fünf Minuten überwacht, um ja die Auslieferung nach Italien zu vollziehen. Oh wie oft habe ich zu allen in Deutschland gesagt, ihr werdet sehen, sie machen mit mir, was sie wollen und alles was ich prophezeit habe kam genau so. Zu Di Rubbo, meinem Anwalt, sagte man vom Gericht, dass er sehr gute Arbeit geleistet hat, aber man leider nicht anders könne. Di Rubbo sieht zwei Dinge in der Äußerung des Gerichts, ich bin Ausländer und ein linksextremer Terrorist. Alles spricht für mich. Oder auch gegen mich, obwohl alles so offensichtlich ist? Dazu kommt, dass das Gericht und Angehörige etc. sich alle kennen und aus dem gleichen Ort kommen. Was soll man also davon noch halten?

Täglich sitze ich da, denke über alles nach. Am Abend stehe ich um 21 Uhr am Fenster, lausche den Starts und Landungen der Flugzeuge, frage mich, wo sie wohl hinfliegen, sehe die Sterne und fast täglich den Mond. Ich will auch gar nicht unter den Tisch kehren, dass ich mittlerweile so starke Depressionen habe, und nur noch überlege, was wohl das Beste wäre. Mittlerweile bin ich einfach zu nichts mehr motiviert, liege Stunden auf dem Bett und versuche in meinem Kopf etwas Musik abzuspielen, runter zu fahren. Hin und wieder hatte ich etwas Alkohol getrunken oder mir Tavor (Anmerkung: Das ist ein starkes Beruhigungsmittel, ein Benzodiazepine) und so weiter besorgt, um das alles nicht weiter ertragen zu müssen. Leider bringt es nichts.

(…) Ich schäme mich oft mit dem, was alles für mich getan wird und auch von meiner Partnerin, die mir ständig einen Teil ihres HarzIV-Geldes schickt, um mir Essen und Trinken zu kaufen und was man sonst noch so braucht, weil man einfach in allem sich selbst überlassen ist. Aber ich weiß, dass das Leben draußen auch kein Zuckerschlecken ist und für jeden einzelnen jeder Cent wichtig ist. Darum will ich vieles gar nicht! Bis zur nächsten Instanz kann es noch ewig dauern und diesmal dauern die Verhandlungen noch viel, viel länger. Ich schaffe das nicht mehr. Zum ersten, wie es mir gesundheitlich geht und zum anderen der ganze Psychoterror! Vor einigen „Monaten“ schrieb ich lieben Menschen einen Text zum Thema Tod hinter Gittern. Wie viele Lebenslängliche kenne ich, die sich lieber die Todesstrafe wünschen, sofort! Aber die, die ich kenne, bringen die Kraft selbst nicht dafür auf, dem allen ein Ende zu setzen. Ich habe keine Angst davor, das was mich einzig und allein belastet ist der Schmerz, den Menschen, wie meine Frau und alle anderen lieben Menschen dadurch durchleben. Das einzige, was ich mir jedoch wünschte, wäre die günstigste Lösung auf den Spandauer Friedhof. Ich weiß, dass sicher bald etwas passieren wird, denn so mache ich nicht weiter!

Darum beeile ich mich auch so mit dem Schreiben, gerade auch für die Anti-Knast-Tage, weil ich dieses so unglaublich wichtig finde! Menschen sollen verstehen, was einem durch den Kopf geht und was er alles durchleben muss! Für mich persönlich ist es so oder so Mord. Ob auf Raten oder sofort in einem Zug! Und mir ist wichtig, selbst zu bestimmen, was mit mir passiert und nicht diese Schweine. Ja, es sind dreckige Schweine, egal welcher Staat!

Manchmal ist mir zum Heulen, dann gehe ich auf die Toilette, schließe die Türe und lassen den Tränen freien Lauf! So sieht es keiner, ich bewahre Haltung und laufe nur noch wie eine Maschine durch dieses Haus. Vor Tagen sagte ein Beamter, dass er sieht, dass es mir nicht gut geht und ich sagte zu ihm „Und weiter?“ Nicht mehr sagte er. Zum Glück bin ich einer von ganz wenigen, die alleine in einer Zelle untergebracht sind, aber es war ein Leichtes, dem Trottel von Psychologen oder Psychiater was vorzumachen. Der Psychologe hat eh nur mehr Interesse an seinem BMW-Motorrad und fragt mich ständig um Rat. Und die andere… naja! Dumm wie Brot und nicht ein klein wenig Interesse an den Gefangenen. Und wer sich schneidet, wird abgefüllt mit Psychopharmaka und das mehrfach täglich.

Heute sah ich wieder wie zwei neue ausländische Gefangene beim Arzt behandelt wurden wie Scheiße! Die beiden Gefangenen haben nicht verstanden, was wirklich los ist, und was die von denen wollen. Also ab zurück auf die Zelle. So einfach ist das. Dumm aus der Wäsche haben sie gesehen, aber was hätten sie auch machen sollen? Ein Arschloch von höherem Beamten sagte heute zu mit etwas über die Politik in Deutschland, was mich gar nicht so interessierte. Und dann meinte er, fehlt nur noch der Schnurrbart und ich hätte Ähnlichkeit mit Hitler. Sowas muss man sich gefallen lassen. Ich ließ alles stehen und liegen und ging einfach, ohne sein verficktes Büro zu putzen. Das machen die nicht nur bei mir, sondern auch bei anderen Gefangenen und gerade auf den Rassistenabteilungen. Keine Ahnung, was diese Art von Späßen sein sollen, aber mich wundert auch nicht was in den meisten Programmen läuft, nur Hitler und Mussolini. Tja, und dazu die Sau von Salvini!

Heute fragte ich doch ganz offen, warum Gefangenen sich so viel von der Anstalt gefallen lassen und nicht mal gleich einige auf die Barrikaden gehen. Als Antwort bekam ich zu hören „Ja, da kommen dann gleich mehrere Beamte und verprügeln einen!“. Ich sagte „Ja und weiter? Wie viele Beamte wollen sie denn dafür aufbringen, 300?“ Richtig organisiert, da machen die Beamten einen Scheißdreck und im Gegenteil, ratzfatz würde man Zugeständnisse machen. Kein Beamter würde sich da noch trauen und selbst wenn, für eine gute Sache ein paar Schläge?! Aber dazu würde es gar nicht erst kommen, weil die Beamten nur bei einzelnen Gefangenen gewalttätig werden, aber niemals in einer größeren Zahl. Ich sagte zu den Gefangenen auf der Station, alles klar und ich habe noch besser verstanden. Was für ein Scheiß-System! Aber es unterscheidet sich vom Verhalten kaum etwas wie in Deutschland. Kein Wunder, dass ich so sehr am Ende bin und einfach keinen Bock mehr habe! Diese Hosenscheißer!

Man hat das schon gut im Griff hier. Als Beispiel: Werfen Gefangene zu viel Müll aus dem Fenster, werden alle bestraft, indem man im Monat einmal weniger anrufen darf. Tja, und dann das mit den 45 Tagen, alle sechs Monate, was ich schon angesprochen habe. Durch Kleinigkeiten, egal wo, werden die Gefangenen schön ruhig gestellt. Es gibt hier ein paar Beamte, die von mir schon Spitznamen bekommen haben. Einer zum Beispiel heißt Mareschalo Göring, führt sich auf, aber so blöd dass er nicht mal weiß, wer Göring gewesen ist. Ein Arschloch, der Typ, der mich aber auch mittlerweile in Ruhe lässt.

Einer heißt doch wirklich Rex, und ich sage dann immer, ah da schau an, Kommissar Rex ist wieder am Start. So viele, die richtig geile Namen bekommen haben, aber zu dumm sind zu wissen, wer diese Menschen waren. Obwohl doch im TV Tag und Nacht Programme sind, wo nur über – wie schon geschrieben – Hitler und Mussolini berichtet wird.

Leider musste ich fast eine Woche meine Zeilen unterbrechen, da es mir gesundheitlich nur noch katastrophal geht. Bin einfach zusammengebrochen vor Schmerzen im Bauchraum und wurde regelmäßig am Tag bewusstlos. Die Beamten dachten, dass es das gewesen ist mit mir. Fühlte mich einfach nur K.O. und habe Dauerschmerzen. Seit über zwei Wochen scheiße ich Wasser, kann nichts mehr essen und das einzige, was getan wird, sind Infusionen. Da ich nicht weiß, wie sich mein Zustand hält, werde ich auch nicht mehr so viel schreiben können wie geplant. Doch ich liege oft nur noch flach und meine lieben Mitgefangenen scheißen sich nen Dreck darum. Was ich so nicht erwartet hätte. Ich überlege, wie kann ein Mensch sich sein vielleicht restliches Leben eingesperrt, von allem weg, sich ständig in jeder Art und Weise bevormunden lassen? Nur der sich brechen lässt oder sich vorspielen lässt, dass es für ihn noch eine Chance gibt. Aber wer daran glaubt, ist entweder naiv oder ein Idiot.

Heute wurde mir gesagt, dass ich keine weiteren Medikamente mehr bekomme, da ab heute, 30.09.2019, alles ausgelaufen ist. Ich dachte, ich höre nicht richtig, aber ihre Drecksarbeit darf ich machen, scheißegal, ob ich Schmerzen habe. Ich antwortete nur, ich komme nicht mehr zum Sani und mir reicht es endgültig! Mittlerweile wird wieder schön in der Ambulance geraucht und TV gesehen, was eigentlich eine Zeit lang eingestellt war. Wie viele Anwälte oder auch Fremdärzte, die ich unten beim Putzen treffe, sagen zu mir, dass das hier ein richtiger Dreckstall ist! Ich weiß nicht mehr, was ich darauf sagen soll. Aber so sieht es hier aus, einfach katastrophal!

Wie viele von euch werden dann den Raum verlassen und in einer Woche noch an meine Zeilen denken? Wir brauchen uns da nichts vormachen, viele haben draußen genug Probleme, ob persönliche oder andere und vergessen dann, was für ein Drama sich hinter den großen Mauern abspielt. Man darf die Menschen hinter diesen Mauern einfach nicht vergessen und gerade die Anti-Knast-Tage sind ein wichtiger Bestandteil, sich intensiv damit auseinander zu setzen, dass es hinter den Mauern eine andere Welt gibt, eine Welt die sich kaum jemand vorstellen kann, der nicht selbst einmal hinter Gittern gewesen ist!

Ich befinde mich leider in einer noch viel schlimmeren Welt, in einem anderen Land, wo man zwar glaubt, es ist die EU und alles läuft wie in Deutschland oder auch Österreich. Nein, hier zählt nichts, einfach nicht und man ist sich selbst in jeder Form überlassen!

Nun hoffe ich euch allen einen kleinen Einblick davon gegeben zu haben, wie es in einem anderen „EU“-Land vor sich geht, wie man sich an Regeln hält und doch auf die Menschen scheißt. Ich werde, solange ich kann, weiter schreiben, trotz des Vorwurfs, ich bin ein linksextremer Terrorist. Meine Unschuld an der Tat, für die ich hier bin, habe ich bewiesen. Aber es wird einfach nur alles ignoriert. Nun habe ich euch genug Stoff zum Nachdenken gegeben. Und vielleicht macht man etwas draus, erweitert die Anti-Knast-Tage und nimmt es zum Anlass, mehr auf die Barrikaden zu gehen.

Vielleicht kann ABC Wien, die in engeren Kontakt zu mir stehen, dazu noch etwas mehr sagen oder gewissen Briefe von mir vorlesen.

Ich grüße alle einzelnen von euch, die hier gerade anwesend sind und auch die, die gerade aus welchen Gründen auch immer, nicht da sein können! Macht einfach weiter! Dam it, denn die Anti-Knast-Tage sind und bleiben einfach eine gute Sache! Nur aus meiner Sicht muss mehr gemacht werden, diskutieren alleine hilft nicht mehr!

Ich grüße euch alle ganz herzlich und bin in meinen Gedanken an diesen Tagen ganz besonders fest bei euch ALLEN!

Euer Andreas

Danke für alles!
Gedenkt am 31.10., der Tag von Holger!
Anmerkung: Wir glauben, dass damit Holger Meins gemeint ist, der am 9.11.1974 in Haft an den Folgen eines Hungerstreiks starb.)

ABC Wien